„Lang Bräu“ in Wunsiedel-Schönbrunn erhält Kohlensäure-Notrationen
Die Lage ist dramatisch! Wenn wir jetzt nicht sofort handeln, gefährden wir die Existenz einer Vielzahl von Mittelstandsbrauereien. Das Problem betrifft aber auch die gesamte Getränkebranche, die Milch- und Fleischindustrie und wird auch beim Handel und der Gastronomie empfindliche Spuren hinterlassen“, beschreibt Rainer Ludwig, Landtagsabgeordneter im Stimmkreis Kulmbach/Wunsiedel, die dramatische Lage bei der Unterversorgung des Markts mit Kohlensäure.
Auf Nachfrage bestätigte ihm der Bayerische Brauerbund über FW-Landtagskollegen Bernhard Pohl, dass eine Vielzahl von Mittelstandsbrauereien von dem Problem betroffen seien und kurzfristig sogar die Produktion von alkoholfreien Getränken einstellen müssen.
Die Mangellage ist entstanden, weil die Düngemittelhersteller europaweit ihre Produktion um 90 Prozent heruntergefahren haben. Aufgrund der aktuell explodierenden Gaspreise ist eine kostendeckende Produktion von Dünger nicht möglich. Bei der Herstellung entsteht als Nebenprodukt Kohlensäure, die zur Getränkeherstellung benötigt wird, aber auch zur Konservierung von Lebensmitteln wie Milch und Fleisch, nicht zuletzt auch bei der Schlachtung von Schweinen.
Auch in der oberfränkischen Region stehen viele Brauereien vor diesem Problem – wie zum Beispiel die Traditionsbrauerei „Lang-Bräu“ in Wunsiedel-Schönbrunn. Im Herzen des Fichtelgebirges braut die Familie Hopf seit über 160 Jahren ihr Bier. Im Gespräch schildert Rudolf Hopf die aktuelle Lage seines Betriebes hinsichtlich der Versorgung mit Co2. „Höllen-Sprudel“ aus Naila im Landkreis Hof beliefere die Brauerei seit vielen Jahren mit Kohlensäure; derzeit werde man allerdings immer nur mit einer Notration beliefert. „Als Bestandskunde können wir von Glück reden, dass wir noch regelmäßig Kohlensäure erhalten!“, so Rudolf Hopf. Sollte es zu Lieferengpässen kommen, werde man zunächst die Produktion von Nischen-Sortiment herunterfahren. „Bei uns wäre als erstes Limo betroffen, erst ganz zum Schluss würden wir bei der Bier-Herstellung Abstriche machen müssen!“
Einige Brauereien in Bayern haben die Produktion von Limonade schon reduziert oder ganz ausgesetzt, wie die Aktienbrauerei Kaufbeuren im Allgäu.
Ludwig bittet Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER) nun darum, umgehend bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) zu intervenieren, damit die Düngemittelproduktion wieder hochgefahren wird und eine Versorgung des Getränkemarkts mit Kohlensäure gewährleistet ist.
Es gäbe dafür nur ein Heilmittel, nämlich den direkten Eingriff in die Gaspreise zu Gunsten der Düngemittelhersteller. Das Gas könne dabei nämlich nicht substituiert werden. Es gilt hier nicht als Energieträger, sondern als wesentlicher Rohstoff bei der Produktion. „Energieintensive Unternehmen profitieren schon seit langem von einem Strompreisdeckel. Andernfalls wären sie nicht in der Lage, wettbewerbsfähig für den Markt zu produzieren. Wir brauchen jetzt zusätzlich einen Gaspreisdeckel, um Unternehmen wie die der Düngemittelindustrie am Markt zu halten. Das fünf Milliarden Euro-Hilfsprogramm für energieintensive Industrie aus dem Juli löst das Problem nicht: Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte am Markt sicherstellen, anstatt notleidende Unternehmen mit Zuschüssen zu versorgen. Die Produktion wird erst dann wieder hochgefahren, wenn die Produkte am Markt rentabel abzusetzen sind“, erläutert Ludwig, energiepolitischer Sprecher der FW-Landtagsfraktion.
Der Kulmbach/Wunsiedler Landtagsabgeordnete bittet den bayerischen Wirtschaftsminister, bei Habeck massiv Druck zu machen: „Es handelt sich zwar um ein Problem mit europäischer Dimension, wir können aber so lange nicht warten. Jetzt muss es schnell gehen. Ansonsten haben wir eine Vielzahl von Insolvenzen im Mittelstand, und zwar komplett unverschuldet.“
Auch die Landwirtschaft sei von der massiven Drosselung der Düngemittelproduktion unmittelbar betroffen. „Wir können nicht tatenlos zusehen, wenn in letzter Konsequenz die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln betroffen ist“, appelliert Rainer Ludwig. „Letztlich müssen aber wir alle die Stimme Richtung Berlin erheben, die betroffenen Unternehmen, die Verbände und auch die Bevölkerung. Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, brechen gewachsene Strukturen in der Wirtschaft zusammen. Die Bundesregierung hat dafür zu sorgen, dass diese Gefahr abgewendet wird“, so Ludwig abschließend.